Dieses Glossar enthält Definitionen und kurze Erläuterungen sowie Literaturhinweise zu Schlüsselbegriffen aus dem Bereich der Begabungs- und Leistungsförderung, die für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Projekt "Leistung macht Schule" eine tragende Rolle spielen. Darüber hinaus werden auch für den Projektkontext relevante Eigennamen erklärt. Autorinnen und Autoren sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsverbunds LemaS. Das Glossar ist alphabetisch sortiert und wird regelmäßig aktualisiert. 

  • Formatives Assessment

    Formatives Assessment lässt sich auf einer rein begrifflichen Ebene als „Gestaltende Leistungsbeurteilung“ übersetzen. Diagnostik wird hier somit zur Gestaltung pädagogischen Handelns genutzt. Konkret umfasst formatives Assessment eine Sequenz von Maßnahmen, die (1) aus einer Erfassung des individuellen Lernstands, (2) einer darauf bezogenen Rückmeldung der Lernergebnisse an Lehrende und Lernende, (3) entsprechenden Fördermaßnahmen sowie (4) der Feststellung und Dokumentation von Lernfortschritten durch geeignete diagnostische Verfahren besteht. 

    Es geht mit anderen Worten um die lernprozessbegleitende (also wiederholte) Beurteilung von Leistungen, um Lernenden Feedback zu Stärken und Schwächen zu geben und Lehrenden diagnostische Information bereitzustellen, auf deren Basis Unterricht adaptiv gestaltet werden kann. Ein wesentliches Merkmal formativen Assessments besteht darin, dass eine (möglichst systematische) Erfassung des Lernstandes vor und während des Lernprozesses erfolgt, damit – „gestaltend“ – geeignete pädagogische Maßnahmen umgesetzt werden können. Formatives Assessment ist also keine bewertende Diagnostik, sondern eine Diagnostik, die im Dienste individueller Förderung steht.

    Basierend auf einer respektvollen Haltung gegenüber jeder Schülerin und jedem Schüler zielt das formative Assessment auf kontinuierliche verbale Rückmeldungen von Lehrpersonen zu den jeweiligen Lerntätigkeiten von Schülerinnen und Schülern ab. Der besondere Fokus liegt dabei auf einem differenzierten prozessorientierten Erfassen und Einschätzen von individuellen Lernbedürfnissen, Ausgangsniveaus und Fortschritten einer Schülerin bzw. eines Schülers, um sie bzw. ihn in den jeweiligen Lernsituationen bestmöglich zu unterstützen sowie sie zu stärkerer Eigenverantwortung für ihr bzw. sein Lernen zu befähigen. Das formative Assessment bezieht sich auf den gesamten Prozess des Vertrautmachens, Erforschens, Übens, Anwendens usw. von Lerninhalten. Es bietet Lehrpersonen zudem Möglichkeiten für eine generelle Unterrichtsevaluation sowie für das Erfassen und Unterstützen individueller Lernentwicklungen einzelner Schülerinnen und Schüler. Letzten Endes zielt formatives Assessment somit auch auf eine Qualitätssicherung ab.

    Formatives Assessment lässt sich von summativem Assessment unterscheiden: Während das formative Assessment eine prozessbegleitende Optimierung zum Ziel hat, erfolgt beim summativen Assessment die Leistungserhebung durch benotete Klassenarbeiten, Tests u. Ä. m. am Abschluss der unterrichtlichen Behandlung eines Stoffkomplexes.  

    Weiterführende Literatur:

    Black, P. & Wiliam, D. (1998). Assessment and classroom learning. Assessment in Education: Principles, Policy & Practice, 5, 7-74.

    Käpnick, F. (2018). Formatives Assessment – ein wertvolles didaktisches Mittel zum Erkennen und Fördern mathematisch begabter Kinder. Aus: Wege in der Begabungsförderung. Eine Methodensammlung für den Mathematikunterricht. Salzburg: ÖZBF.

    Schütze, B., Souvignier, E. & Hasselhorn, M. (2018). Stichwort – Formatives Assessment. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 21, 697-715. doi.org/10.1007/s11618-018-0838-7

  • Forschendes Lernen

    Forschendes Lernen im schulischen Kontext ist dann vorzufinden, wenn die Arbeitsformen im Unterricht so angelegt sind, dass die Schülerinnen und Schüler sich im Modus der Forschung neuem Wissen nähern können. Ziel ist es, das Erkenntnisstreben der Schülerinnen und Schüler zu unterstützen. 

    Der Forschungsmodus zeichnet sich dadurch aus, dass die Schülerinnen und Schüler sich einer Problem- oder Fragestellung in systematischer Weise nähern, angemessene Methoden suchen, um diese zu bearbeiten und versuchen, eine angemessene Antwort zu finden. Damit wird erstens das Streben nach Erkenntnis herausgestellt und zweitens das Vorgehen, Erkenntnis zu erlangen. Forschendes Lernen kann aus zwei Perspektiven beschrieben werden: Es umfasst zum einen Methoden, die von Schülerinnen und Schülern als Werkzeuge eingesetzt werden können, um sich Wissen anzueignen. Zum anderen ist der Prozess, also die Denk- und Arbeitsweise der strukturierten und evidenzbasierten Erkenntnisgewinnung, selbst als Unterrichtsziel zu beschreiben. Pragmatistisch gerahmt ist diese zweite Perspektive von besonderer Bedeutung: Schülerinnen und Schüler lernen durch Handlungen, können durch das Hantieren mit Variablen Veränderungen erzeugen und das eigene Tun den Umständen anpassen, in denen die Handlungen stattfinden. Forschendes Lernen gilt als anspruchsvolle Lernform, die mit dem Ziel eingesetzt wird, Schülerinnen und Schüler Wissenschaft als ein System und einen Prozess erfahrbar zu machen. 

    Es lassen sich drei Typen herausarbeiten, die gekennzeichnet werden durch ihren Offenheitsgrad (Colburn, 2008): 

    1. Strukturiertes Forschendes Lernen: Vorgegebene Probleme sollen mit beschriebenen Methoden bearbeitet werden. Die Materialien sind vorgegeben, nicht jedoch das zu erwartende Ergebnis. Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler Zusammenhänge und Generalisierungen aus Daten herstellen lernen. 
    2. Begleitetes Forschendes Lernen: Die Probleme sind bekannt, die Methode muss durch die Schülerinnen und Schüler selbst herausgearbeitet werden. 
    3. Offenes Forschendes Lernen: Die Schülerinnen und Schüler formulieren selbst die zu bearbeitenden Fragestellungen.

    Weiterführende Literatur

    Colburn, A. (2008). What Teacher Educators Need to Know about Inquiry-Based Instruction. Zugriff am 19.02.2013. Verfügbar unter http://www.csulb.edu/~acolburn/AETS.htm

    Dewey, J. (2000). Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik. Weinheim und Basel: Beltz.

    Frantz-Pittner, A., Grabner, S. & Pokorny, B. (2011). Forschendes lernen in Science Center Einrichtungen- nicht nur "Tool", sondern auch "Goal". In A. Frantz-Pittner, S. Grabner & G. Bachmann (Hrsg.), Science Center Didaktik. Forschendes Lernen in der Elementarpädagogik (S. 29–52). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

    Klauer, K. & Leutner, D. (20122). Lehren und Lernen. Einführung in die Instruktionspsychologie. Weinheim und Basel: Beltz.

    Messner, R. (2009). Forschendes Lernen aus pädagogischer Sicht. In R. Messner (Hrsg.), Schule forscht. Ansätze und Methoden zum forschenden Lernen (S. 15–30). Hamburg: edition Körber-Stiftung.

    *Beitrag von David Rott

  • Freies Explorieren und Experimentieren (FEE)

    Das Konzept des Freien Explorierens und Experimentierens (FEE) beschreibt eine sachunterrichtsdidaktisch, spiel-, lern-, motivations- und interessentheoretisch begründete Unterrichtsform, die unterrichtsmethodisch an den inklusiven Offenen Unterricht angelehnt ist. Mit einem Schwerpunkt im naturwissenschaftlich-technischen sowie informatischen Bereich ermöglicht es Kindern das Erleben von Selbstbestimmung, Autonomie und sozialer Eingebundenheit sowie das Aufdecken, Verfolgen bzw. Weiterentwickeln eigener Interessen und besonderer Potenziale in Naturwissenschaft und Technik. 

    FEE basiert auf Neugier, intrinsischer Motivation, Interesse, Kreativität und Eigeninitiative der Kinder. Die Kinder werden zu Hauptakteuren des Unterrichts, die Rolle der Lehrperson ist diejenige einer Lernbegleitung. Planung und Strukturierung des Lernprozesses werden im Wesentlichen durch die Kinder selbst bestimmt. Selbstbestimmung und intrinsische Motivation sind daher die wichtigsten Komponenten des Freien Explorierens und Experimentierens. Die Kinder sammeln im Rahmen des FEE grundlegende naturwissenschafts- bzw. technikbezogene Erfahrungen und durchlaufen dabei im Unterricht charakteristische Phasen. Das ‚Modell der Erfahrungsgewinnung‘ dient der Lehrperson dazu, die Prozesse im Unterricht bewerten zu können und unterstützt bei der Beobachtung der Kinder in Hinblick auf besondere Potenziale.

    Weiterführende Literatur:

    Köster, H.; Nordmeier, V.; Eckoldt, J. (2017): „Das ist schön, wenn man sich auskennt - da fragen die anderen mich auch mal!“ An individuellen Interessen und Begabungen anknüpfen und neue entdecken - dargestellt am Beispiel einer naturwissenschafts- und technikbezogenen Lernumgebung. journal für begabtenförderung. 2/2017. Innsbruck. Wien. Bozen. Studien Verlag.

    Köster, H. (2018): Freies Explorieren und Experimentieren – eine Untersuchung zur selbstbestimmten Gewinnung von Erfahrungen mit physikalischen Phänomenen im Sachunterricht (2. Aufl.). Berlin: Logos-Verlag .

    Köster, H., Mehrtens, T. (2020): Naturwissenschafts- und technikbezogene Potenziale bei Grundschulkindern aufdecken, diagnostizieren und fördern. In:  Fischer, C., Fischer-Ontrup, C., Käpnick, F., Neuber, N., Solzbacher, C., Zwitserlood, P. (Hrsg.). Begabungsförderung, Leistungsentwicklung, Bildungsgerechtigkeit – für alle! Beiträge aus der Begabungsforschung (S. 117-128). Münster: Waxmann