Dieses Glossar enthält Definitionen und kurze Erläuterungen sowie Literaturhinweise zu Schlüsselbegriffen aus dem Bereich der Begabungs- und Leistungsförderung, die für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Projekt "Leistung macht Schule" eine tragende Rolle spielen. Darüber hinaus werden auch für den Projektkontext relevante Eigennamen erklärt. Autorinnen und Autoren sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsverbunds LemaS. Das Glossar ist alphabetisch sortiert und wird regelmäßig aktualisiert. 

  • Mathematikspezifische Begabungsmerkmale

    Mathematikspezifische Begabungsmerkmale sind eine wesentliche Komponente für die Kennzeichnung eines besonderen mathematischen Leistungspotenzials. Sie sind stets in einem Systemzusammenhang zu sehen und können individuell verschieden ausgeprägt sein.

    Ausgehend vom Wesen mathematisch-produktiven Tätigseins hat Käpnick (1998) als wesentliche mathematikspezifische Begabungsmerkmale von Kindern des dritten und vierten Schuljahres folgende Fähigkeiten herausgestellt:
    Speichern mathematischer Sachverhalte im Arbeitsgedächtnis unter Nutzung erkannter Strukturen,

    • Strukturieren mathematischer Sachverhalte,
    • mathematische Sensibilität,
    • mathematische Fantasie,
    • selbstständiger Transfer erkannter Strukturen,
    • selbstständiges Wechseln der Repräsentationsebenen,
    • selbstständiges Umkehren von Gedankengängen. 

    Die jeweiligen weit überdurchschnittlichen Fähigkeitsniveaus mathematisch begabter Kinder lassen sich mittels Einsatz von Indikatoraufgaben erfassen und einschätzen.
    Sjuts (2017) wies nach, dass diese mathematikspezifischen Begabungsmerkmale prinzipiell auch für Kinder des fünften und sechsten Schuljahres gelten und dass die Liste für diesen Altersbereich zugleich mit der Fähigkeit im logischen Schlussfolgern zu ergänzen ist. Das entwicklungsbezogene Fähigkeitsniveau der mathematikspezifischen Begabungsmerkmale für die älteren Kinder kann wiederum durch entsprechende Indikatoraufgaben erfasst werden (Käpnick u.a., 2021).

    Aktuelle Studien sind auf eine differenzierte Kennzeichnung des mathematikspezifischen Begabungsmerkmals „mathematische Sensibilität“ bzw. einer besonderen „mathematischen Ästhetik“ bei Kindern des ersten und zweiten Schuljahres fokussiert (Kaiser, 2020).

    Weiterführende Literatur:

    Kaiser, J. (2020). „Mathematische Ästhetik bei (potenziell) mathematisch begabten Erst- und ZweitklässlerInnen“. In: H. S. Siller, W. Weigel & J. F. Wörler (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2020 (S. 1520). Münster: WTM Verlag.

    Käpnick, F. (1998): Mathematisch begabte Kinder (Hrsg. von A. Pehnke). Frankfurt a. M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Verl. Peter Lang.

    Käpnick, F. (Hrsg.), Auhagen, W., Benölken, R., Fuchs, M., Girard, P., Körkel, V., Ohmann, Y., Schreiber, L. & Sjuts, B. (2021). Forschen und Knobeln: Mathematik - Klasse 5 und 6. Vielfältige Aufgaben zu zentralen Lehrplanthemen mit didaktischer Anleitung und Lösungshinweisen. Hamburg: AOL-Verlag (geplanter Erscheinungstermin: 1.8.2021). 

    Sjuts, B. (2017): Mathematisch begabte Fünft- und Sechstklässler. Theoretische Grundlegung und empirische Untersuchungen (Bd. 9 der Schriften zur mathematischen Begabungsforschung, hrsg. von F. Käpnick). Münster: WTM-Verlag.

  • Mentoring

    Idealtypisch kann Mentoring als eine zeitlich relativ stabile dyadische Beziehung zwischen einem erfahrenen Mentor und seinem weniger erfahrenen Mentee bezeichnet werden, die durch gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen gekennzeichnet ist und die auf die Förderung der Entwicklung und das Vorankommen des Mentee abzielt (Ziegler, 2009)

    Die Entwicklung kann sich dabei sowohl auf akademische oder karrierebezogene als auch auf psychosoziale Aspekte beziehen. Neben dem klassischen 1:1-Mentoring existieren verschiedene Formen des Gruppen-Mentorings, in denen ein oder mehrere Mentoren mit einem oder mehreren Mentees interagieren. In Abgrenzung zu anderen zeitlich begrenzten Formaten der professionellen Unterstützung wie z. B. Beratung oder Coaching beschreibt Mentoring einen auf eine längere Dauer angesetzten Prozess, der insbesondere auch den Aufbau einer persönlichen Beziehung zwischen Mentor und Mentee umfasst. Die Rollen von Mentoren überschneiden sich zum Teil mit denen von Beratern oder Coaches, indem Mentoren beispielsweise zu Reflexionsprozessen anregen und als Prozessbegleiter agieren, gehen jedoch gleichzeitig darüber hinaus. So fungieren Mentoren auch als Rollenmodelle, vermitteln förderliche Netzwerke und leisten emotionale Unterstützung.

    Häufig als „Goldstandard der Pädagogik“ bezeichnet, wird Mentoring eine hohe Wirksamkeit zugesprochen, welche sich in systematischen Fallstudien zur Bedeutung von Mentoring bei der Entwicklung von Leistungsexzellenz auch zeigte. In Metaanalysen, bei denen die Ergebnisse einer Vielzahl an quantitativen Studien zu Mentoring mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Gruppen zusammenfassend analysiert wurden, zeigen sich im Schnitt allerdings nur niedrige bis mittlere Effekte von Mentoring. Gründe dafür könnten in der sehr breiten Definition von Mentoring und in der Heterogenität in der Gestaltung und Umsetzung von Mentoring-Formaten liegen. Neue Forschungsansätze fokussieren stärker auf eine ganzheitliche, systemische Betrachtung von Mentoring-Prozessen. Durch die Analyse verschiedener regulatorischer Prozesse und deren Interaktion können Mentoring-Erfolge besser erklärt und zielgerichtet Hinweise für die Gestaltung von Mentoring-Prozessen abgeleitet werden (für einen Überblick zur Forschungsliteratur siehe Stoeger, Balestrini & Ziegler, 2021; Ziegler, Gryc, Hopp & Stoeger, 2021).

    Aus der Forschung lassen sich verschiedene Prinzipien ableiten, die bei der praktischen Ausgestaltung von Mentoring-Programmen befolgt werden sollten. So ist es beispielsweise bei der Konzeption und Initiierung von Mentoring-Programmen wichtig, auf eine gute Auswahl und eine geeignete Zusammenstellung der Mentoring-Paare zu achten. Mentorinnen und Mentoren sollten fundiert geschult werden und die Mentoring-Paare mindestens ein Jahr in einer geeigneten Lernumgebung in regelmäßigem Austausch stehen. Erfolgsrelevante Elemente im Mentoring-Prozess selbst sind eine umfassende Diagnostik, geeignete Zielformulierungen, gemeinsame Reflexionen und die Beachtung lernpsychologischer Aspekte.

     

    Weiterführende Literatur:


    Stoeger, H., Balestrini, D. P. & Ziegler, A. (2021). Key issues in professionalizing mentoring practices. Annals of the New York Academy of Sciences, 1483(1), 5–18. https://doi.org/10.1111/nyas.14537 

    Ziegler, A. (2009). Mentoring: Konzeptuelle Grundlagen und Wirksamkeitsanalyse. In H. Stöger, A. Ziegler & D. Schimke (Hrsg.), Mentoring: Theoretische Hintergründe, empirische Befunde und praktische Anwendungen (S. 7–29). Lengerich: Pabst Science Publishers. Ziegler, A., Gryc, K. L., Hopp, M. D. S. & Stoeger, H. (2021). Spaces of possibilities: A theoretical analysis of mentoring from a regulatory perspective. Annals of the New York Academy of Sciences, 1483(1), 174–198. https://doi.org/10.1111/nyas.14419

  • Motivation

    Motivation beschreibt die psychische Handlungsbereitschaft eines Menschen. Motivierte Handlungen folgen stets der Intention, durch das Verhalten einen bestimmten Zweck zu erreichen. Motivation ist somit immer zielgerichtet, wobei sie sich in ihrer Intensität und Zielrichtung unterscheiden kann. 

    Generell kann auf Basis der Zielrichtung zwischen zwei Formen der Motivation unterschieden werden, zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Ist Verhalten intrinsisch motiviert, so wird es aufgrund von persönlichem Interesse, Neugierde oder Freude an der Tätigkeit ausgeführt, und nicht aufgrund einer erwarteten externen Konsequenz. Der Zweck des Verhaltens liegt demnach in der Tätigkeit selbst, deren Ausführung an sich befriedigend ist. Extrinsisch motiviertes Verhalten wird hingegen ausgeführt, um eine von der Handlung abgrenzbare Konsequenz zu erreichen. Extrinsisch motiviertes Verhalten kann dabei selbst oder fremdbestimmt sein. Fremdbestimmt ist es dann, wenn das Verhalten beispielsweise aufgrund von äußerem Druck gezeigt wird, wie bei einer erwarteten Belohnung oder Bestrafung, ohne dabei ein eigenständiges Ziel zu verfolgen. Selbstbestimmt-extrinsische Motivation meint hingegen, dass das Verhalten gezeigt wird, um ein persönliches Handlungsziel zu erreichen, wie zum Beispiel die Versetzung in eine höhere Klassenstufe.

    Weiterführende Literatur:

    Deci, E. L., & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39(2), 223-238.

    Rheinberg, F., & Krug, S. (2017). Motivationsförderung im Schulalltag: Psychologische Grundlagen und praktische Durchführung (4. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

    Schiefele, U., & Schaffner, E. (2015). Motivation. In E. Wild & J. Möller (Hrsg.), Pädagogische Psychologie (S. 153–176). Berlin, Heidelberg: Springer.