Thematische Netzwerktreffen 2022

Wie können sich Entwicklungsprozesse in Unterricht und Schule wechselseitig bereichern? Thematische Netzwerktreffen 2022

Begabungs- und Begabtenförderung kann u.a. durch differenzierende Aufgabenformate im Unterricht oder durch die gemeinsame Auseinandersetzung der Schulgemeinschaft mit dem Leitbild einer Schule vorangebracht werden. Um eine Schule nachhaltig und ganzheitlich begabungs- und leistungsförderlich zu gestalten, braucht es eine Entwicklung sowohl auf Ebene des Unterrichts als auch auf Ebene der Schule. Der Forschungsverbund arbeitet mit 300 LemaS-Schulen in 22 Teilprojekten, die sich schwerpunktmäßig entweder der Schul- oder der Unterrichtsentwicklung zuwenden, etwa ein Drittel der beteiligten Schulen bearbeitet beide Bereiche parallel. Bei den diesjährigen Thematischen Netzwerktreffen, einem Veranstaltungsformat, das darauf ausgelegt ist, Schulen über die Bundesland- und Teilprojektgrenzen hinweg in den Austausch zu bringen, stellt der Forschungsverbund daher die Frage in den Mittelpunkt, wie Unterricht- und Schulentwicklung zusammenhängen und sich ergänzen. Begabungs- und leistungsfördernde Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse werden bei den Netzwerktreffen von Lehrpersonen, Schulleitungen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Länder und der Landesinstitute/Qualitätseinrichtungen gemeinsam mit LemaS-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern übergreifend betrachtet und diskutiert. Dabei bietet die Auseinandersetzung mit dem Selbstreflexionsinstrument SELF, das relevante Schulentwicklungsfelder in insgesamt sechs Dimensionen strukturiert, den Teilnehmenden Orientierung und Denkanstöße für ihr Handeln.

Sechs Dimensionen der Begabungsförderung in der Schule - SELF

In den Jahren 2019 bis 2021 wurden bereits teilprojektübergreifende Thematische Netzwerktreffen mit allen 300 LemaS-Schulen zu unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen durchgeführt. Unterstützt wurde dadurch die inhaltliche Verknüpfung zwischen Teilprojekten und die Netzwerkbildung zwischen den Schulen. Die Thematischen Netzwerktreffen 2022 bieten allen Schulen gegen Ende der ersten Förderphase von „Leistung macht Schule“ noch einmal die Möglichkeit zur Vernetzung und zum Austausch mit Schulen aus anderen Bundesländern und Teilprojekten. In sechs regionalen Clustern kommen jeweils rund 50 Schulen zusammen und nehmen an der eintägigen Veranstaltung teil, die von Projektleitenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden des vom BMBF geförderten Forschungsverbunds durchgeführt wird. Unter Einbindung ihrer bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse erarbeiten die Teilnehmenden mit Blick auf ihre je eigene Schule konkrete Wege zur Verknüpfung von Schul- und Unterrichtsentwicklung. Während die ersten drei Veranstaltungen digital angeboten wurden, fanden im Juni/Juli und im Oktober die Netzwerktreffen in Präsenz statt. 

Bundeslandgrenzen übergreifender Austausch und Vernetzung

Programm und Ergebnisse der Thematischen Netzwerktreffen am Beispiel Cluster Ost

Im Cluster Ost trafen sich am 30. Juni zunächst Grundschulen und am 01. Juli 2022 weiterführende Schulen aus den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit Vertreterinnen und Vertreter der Länder, der Landesinstitute/Qualitätseinrichtungen und dem Forschungsverbund im Landesinstitut für Schule und Medien, Berlin-Brandenburg (LISUM) in Ludwigsfelde zum gemeinsamen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. Christian Baumelt, Referatsleiter im LISUM und Verantwortlicher für den Qualifizierungsbereich "Beraten - Fortbilden - Begleiten" begrüßte die Teilnehmenden und übergab das Wort an Prof. Dr. Gabriele Weigand (Pädagogische Hochschule Karlsruhe), Koordinatorin des LemaS-Forschungsverbunds und Leiterin der Teilprojekte 1 & 2 am Standort Karlsruhe, und an Prof. Dr. Christoph Perleth (Projektleiter der Teilprojekte 1 & 2 am Standort Rostock). Beide betonten den Mehrwert persönlicher Begegnungen zur Stärkung der Wissenschaft-Praxis-Brücke sowie für das von- und miteinander Lernen und das Vernetzen der Schulen untereinander in LemaS, auch über die Bundesländer hinweg.

Prof. Dr. Gabriele Weigand und Prof. Dr. Christoph Perleth beim Netzwerktreffen im LISUM

Thematisch beinhalteten die beiden Tage zwei Schwerpunkte. An den Vormittagen standen „Perspektiven einer begabungsförderlichen Schulentwicklung: Erfolgsfaktoren, Herausforderungen, Bedarfe“ im Mittelpunkt. Dr. Frederik Ahlgrimm (Humboldt Universität zu Berlin, Mitarbeiter im Teilprojekt 1 & 2) hielt dazu einen Impulsbeitrag, in dem es um die Voraussetzungen ging, die notwendig sind, um Begabungen adäquat in den Blick nehmen, erkennen und fördern zu können. Er betonte dabei Aspekte wie die Ziel- und Motivationsklärung, ein in der Schulgemeinschaft geteiltes Begabungsverständnis, das Vorhandensein von Freiräumen und Förderangeboten, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre Begabungen zeigen können, sowie vor allem die Haltung von Lehrpersonen wie aller beteiligten Akteure, Schule und Unterricht von den Kindern und Jugendlichen her zu denken. Im anschließenden Austausch diskutierten die Teilnehmenden in Kleingruppen gemeinsam Ideen und Praxisbeispiele für besonders gelungene Unterrichtseinheiten und schulische Angebote, die sich zur Begabungsförderung bewährt haben, und identifizierten davon ausgehend allgemeine Prinzipien der Begabungsförderung.

Arbeitsphasen und Zusammenführung

An den beiden Nachmittagen stand das SELF-Instrument im Fokus. Prof. Dr. Christoph Perleth und Prof. Dr. Gabriele Weigand führten in dessen Funktion, Aufbau und Handhabung ein. Anhand eines Entwurfsexemplars erhielten die Teilnehmenden Einblicke in die Struktur und die Funktionen des SELF, der Schulen vor allem als Selbstreflexionsfaden dienen und dabei unterstützen kann, Schwerpunkte und bereits erreichte Erfolge sowie nächste Entwicklungsfelder zu identifizieren. Die Teilnehmenden erhielten dadurch wichtige Impulse für die anschließende Arbeitsphase, in der sie sich – ausgehend von den zahlreichen Erfahrungen an ihrer eigenen Schule – in Kleingruppen über Gelingensbedingungen, Hindernisse und Wirkungen einer Verzahnung von Schul- und Unterrichtsentwicklung austauschten. In beiden Arbeitsphasen wurde deutlich, welch hohe Expertise unter den Teilnehmenden versammelt ist und welch hoher Mehrwert mit dem gemeinsamen Austausch und der Reflexion sowohl für die Weiterentwicklung der eigenen schulischen und unterrichtsbezogenen Praxis als auch für LemaS als Gesamtprojekt verbunden ist. So wurden in den abschließenden Blitzlichtern übereinstimmend zentrale Komponenten einer begabungs- und leistungsfreundlichen Schul- und Unterrichtskultur benannt: darunter die hohe Bedeutung und aktiv-unterstützende Rolle der Schulleitung, das Anknüpfen an vorhandene Expertise, aber auch entsprechende Formate und Strukturen, eine transparente Kommunikation und gut funktionierende Kooperation im Kollegium sowie nicht zuletzt ein regelmäßiger Austausch über die Stärken der Schülerinnen und Schüler – und für all das die Bereitstellung der notwendigen Zeit-Räume.

Thematisches Netzwerktreffen Cluster Ost, LISUM

Insgesamt verständigten sich die Teilnehmenden auf die Leitidee „Stärken stärken“ als Fundament einer begabungs- und leistungsförderlichen Schul- und Unterrichtsgestaltung und stellten die Wichtigkeit eines gemeinsamen Verständnisses und einer geteilten Haltung zur Begabungsförderung heraus. 

Programm und Ergebnisse der Thematischen Netzwerktreffen am Beispiel Cluster Süd West


Rund 50 Schulleitungen, Lehrpersonen und Vertretungen der Landesinstitute aus Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und aus Baden-Württemberg versammelten sich am 7. Oktober an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe zum Netzwerktreffen im Cluster Süd West. Auch hier ging es um die Verzahnung von Schul- und Unterrichtsentwicklung. Neben Impulsvorträgen zu den Dimensionen der Begabungs- und Begabtenförderung und dem SELF-Instrument, zeigte eine Posterschau Wege, die einzelne LemaS-Schule bereits zurückgelegt haben.

Thematisches Netzwerktreffen Cluster Süd West, Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Durch Beiträge von Prof. Dr. Wolfgang Hallet und Prof. Dr. Carmen Spiegel sowie ihren wissenschaftlichen Mitarbeitenden wurde das Weiterbildungs- und Austauschangebot für die Teilnehmenden um einen Schwerpunkt im Bereich der Begabungsförderung im Sprachunterricht ergänzt.  Wie die Differenzierung mit offenen komplexen Aufgaben vom Englischunterricht auf andere Fächer übertragen werden kann, zeigte Prof. Hallet, der zur Fachdidaktik Englisch das mit Schulen im LemaS-Teilprojekt 18 arbeitet. Den wissenschaftlichen Erkenntnissen fügte Englischlehrerin Svenja Schmitt vom Kaiserin Friedrich Gymnasium Bad Homburg ihre Praxisperspektive hinzu. Sie gab Einblicke, wie offene komplexe Aufgaben an ihrer Schule etabliert, umgesetzt und nachhaltig verankert wurden. Über das Bestreben, das Aufgabenformat nachhaltig an der Schule zu verankern, wirkten und wirken die Unterrichtsentwicklungsprozesse in die ganze Schule hinein und stellten den Anlass und die treibende Kraft des Schulentwicklungsprozesses dar. 

Als Projektleiterin von Teilprojekt 17 legte Prof. Dr. Spiegel in ihrem Workshop einen Fokus „Sprachlich-rhetorische Kommunikation in Deutsch – aber auch in anderen Fächern“. Beim Erkennen und von Schülerinnen und Schüler im Bereich der rhetorischen Kommunikation geht es um kommunikative Praktiken des Erklärens/Präsentierens sowie Argumentieren. Die Übertragung der Förderung dieser Kernkompetenzen auf andere Unterrichtsfächer kann sowohl integrativ im Unterricht behandelt oder explizit zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden. Vorgestellt wurden verschiedene Strategien und bereits entwickelte Unterrichtsmaterialien zur (unterrichtsintegrativer) Förderung sprachlich-rhetorischer Begabungen, wie Arbeitshefte, WebQuests und Feedbackbögen, die zum Teil auch in anderen Unterrichtsfächern eingesetzt werden können. Am Nachmittag gaben die Kurzvorträge von Lisa Sellinger („Ressourcenräume zur (fächerübergreifenden) Lese- und Schreibförderung“), Dr. Jenny Winterscheid („Unterrichtsentwicklung als Anlass zur Kommunikation über Begabungs- und Leistungsförderung an der Schule“) und Prof. Dr. Wolfgang Hallet gemeinsam mit Svenja Schmitt („Auswirkung von Unterrichtsentwicklung auf die Schule/Schulentwicklung“) die zentralen Impulse für die anschließende Arbeitsphase in Kleingruppen. Die Teilnehmenden diskutierten, welche Unterrichtseinheiten oder schulischen Angebote zur Begabungs- und Leistungsförderung sie an ihrer Schule als besonders gelungen einschätzen und welche Prinzipien und Herangehensweise dieses Konzept so erfolgreich machen.

Thematisches Netzwerktreffen Cluster Süd West, Pädagogische Hochschule Karlsruhe

Das besondere Potenzial der Netzwerktreffen liegt darin, dass die an LemaS beteiligten Lehrpersonen teilprojekt-, themen- und fachübergreifend arbeiten. Davon profitieren die Lehrpersonen zusätzlich zu ihrer Arbeit in den jeweiligen Teilprojekten. Sie können ihre Erkenntnisse in das erweiterte LemaS-Team ihrer Schule und in ihre Schule insgesamt tragen und so die Begabungs- und Leistungsförderung nachhaltig in ihrer Schul- und Unterrichtskultur verankern. Am 7. Oktober findet das nächste Thematische Netzwerktreffen statt. Das Cluster Süd-West mit Schulen sowie Vertretungen der Länder und Landesinstitute/Qualitätseinrichtungen aus den Bundesländern Baden-Württemberg, Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen trifft sich dann an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. 

Thematische Netzwerktreffen 2022